Auf dem Parteitag der SPD Ende Juni wurde ein für die Zukunft der homöopathischen Arzneimittelversorgung relevanter Antrag verhandelt. Der Antrag G28, initiiert vom SPD-Landesverband Hamburg, zielte auf eine weitreichende Umklassifizierung homöopathischer Präparate – konkret auf die Abschaffung ihres Arzneimittelstatus.
Der Antrag wurde auf dem Parteitag weder angenommen noch abgelehnt. Stattdessen wurde er – gemäß Beschlussbuch der SPD – auf Empfehlung der Antragskommission an die Bundestagsfraktion der Partei weitergeleitet.
Inhaltliche Eckpunkte des Antrags
Mit der Überweisung an die Bundestagsfraktion beauftragte der Parteitag die SPD-Abgeordneten, sich auf bundespolitischer Ebene mit folgenden Zielsetzungen auseinanderzusetzen:
- Abschaffung des arzneimittelrechtlichen Status für Homöopathika
- Kennzeichnung homöopathischer Arzneimittel mit Warnhinweisen
- Einschränkung bzw. stärkere Regulierung von Werbung für Homöopathie
- Weitere politische Maßnahmen zur Eingrenzung der homöopathischen Arzneimitteltherapie
Bedeutung für die medizinische Praxis
Zwar wurde auf Parteitagsebene keine abschließende Entscheidung getroffen, doch die Verlagerung des Vorgangs in die Bundestagsfraktion bedeutet eine formelle und politische Vorentscheidung. Die Fraktion ist nun mit einem klar umrissenen gesundheitspolitischen Auftrag betraut.
Sollte der Vorstoß in der Bundestagsfraktion weiterverfolgt werden, wären die Folgen für die ärztliche, heilpraktische und pharmazeutische Praxis gravierend: Der Wegfall des Arzneimittelstatus würde bedeuten, dass homöopathische Mittel regulatorisch nicht mehr als Arzneimittel geführt würden – mit weitreichenden Konsequenzen für Verschreibung, Abgabe, Kennzeichnung, Apothekenpflicht und Patientenkommunikation.
Darüber hinaus stünde Deutschland im Widerspruch zur EU-weiten Rechtslage: In sämtlichen anderen Mitgliedsstaaten gelten Homöopathika weiterhin als Arzneimittel im Sinne des europäischen Arzneimittelrechts. Eine nationale Abweichung würde nicht nur einen Präzedenzfall schaffen, sondern auch rechtliche Konflikte mit europäischem Recht provozieren.
Professionelle Kritik und Positionsdifferenzen
In Fachkreisen wird kritisiert, dass der Antrag weder eine differenzierte Auseinandersetzung mit der therapeutischen Praxis noch mit der historischen und rechtlichen Verankerung der Homöopathie im deutschen Gesundheitssystem erkennen lässt.
Insbesondere die pauschale Aberkennung des Arzneimittelstatus steht in Widerspruch zur seit Jahrzehnten geübten Praxis der evidenzinformierten Erfahrungsheilkunde. Viele im Fachkreis empfinden den Vorstoß als ideologisch motiviert und wenig fundiert.
Innerhalb der SPD selbst zeigen sich unterschiedliche Haltungen. Während sich homöopathiekritische Positionen auf dem Parteitag Gehör verschafften, bleiben befürwortende Stimmen derzeit verhalten – nicht zuletzt wegen der Komplexität der Thematik und ihrer gesellschaftspolitischen Sensibilität.
Ausblick: Dialog, Information und politische Kommunikation notwendig
Für ärztliche und heilpraktische Fachkreise ist es jetzt zentral, den gesundheitspolitischen Diskurs aktiv mitzugestalten. Die Überweisung an die Bundestagsfraktion bedeutet nicht das Ende der Debatte, sondern ihren Eintritt in eine neue Phase – mit möglichen Konsequenzen für Praxis, Forschung und Versorgung.
Es ist ratsam, den Informationsfluss zu den Entscheidungsträgern aufrechtzuerhalten und sachlich über die Rolle der Homöopathie in der Versorgungspraxis aufzuklären. Eine Petition an die SPD-Bundestagsfraktion sowie gezielte fachliche Stellungnahmen könnten geeignete Mittel sein, um die Relevanz der Homöopathie als integrativer Bestandteil der ärztlichen und heilkundlichen Therapieangebote deutlich zu machen.
Ein Blick zurück zeigt: Bereits im Vorjahr konnte durch koordiniertes Engagement verhindert werden, dass homöopathische und anthroposophische Arzneimittel aus der freiwilligen Erstattung durch Krankenkassen ausgeschlossen wurden. Der fachlich fundierte Dialog bleibt daher auch jetzt das Gebot der Stunde.